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Elektrotechnik: Niederspannungsinstallationsanlagen

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Niederspannungsinstallationsanlagen – Finaler, ausführlicher Überblick

Niederspannungsinstallationsanlagen bilden das Fundament für die elektrische Energieversorgung in nahezu allen Arten von Gebäuden und Anlagen. Sie dienen dazu, elektrische Energie sicher vom Einspeisepunkt (z. B. Transformatorstation) zu verteilen und sämtliche Verbraucher – von der Beleuchtung und Steckdosenversorgung bis hin zur Versorgung komplexer Maschinen und Haustechnikanlagen – zuverlässig zu betreiben. Eine Niederspannungsinstallationsanlage ist komplex und erfordert weitreichende Fachkenntnisse bei Planung, Ausführung und Betrieb. Entscheidend sind Sicherheit (Schutz gegen Stromschlag, Brand, Überspannung und Fehlfunktionen), Zuverlässigkeit (Selektive Schutzgeräteabstimmung, ausreichende Querschnitte, klar strukturierte Verteilungen), EMV-Verträglichkeit ( Trennung von Leitungen, konsequenter Potentialausgleich, Vermeidung von Störströmen), Energieeffizienz (Durch Mess- und Überwachungsmöglichkeiten, Lastmanagement sowie moderne Schaltgeräte), Dokumentation und Wartung (Lückenlose Unterlagen, klare Beschriftung und regelmäßige Prüfungen sind Voraussetzung für einen sicheren und wirtschaftlichen Betrieb) sowie Zukunftssicherheit (Reserven für Erweiterungen, Integration von Ladeinfrastruktur, Gebäudeautomation und neue Technologien).

Nur wenn all diese Aspekte von Anfang an berücksichtigt und kontinuierlich überwacht werden, entsteht eine robuste, normgerechte und nachhaltige Niederspannungsinstallation, die sowohl aktuelle als auch künftige Anforderungen erfüllt.

VDE 0100-Reihe

  • Regelt grundlegende Anforderungen an die Auswahl und Errichtung elektrischer Niederspannungsanlagen (z. B. VDE 0100-410: Schutz gegen elektrischen Schlag, VDE 0100-444: EMV, VDE 0100-520: Kabel- und Leitungsanlagen).

  • VDE 0100-600 legt die Erstprüfungen fest (Sichtprüfung, Isolationswiderstand, Schutzmaßnahmen, Funktionskontrolle).

MLAR und DIN 4102

  • Bestimmen die Brandschutzanforderungen und das Vorgehen bei Leitungsanlagen mit Funktionserhalt (E30/E90).

  • Enthalten Vorgaben für Brandschotts und Brandabschnittstrennungen.

DIN EN 50174

  • Richtlinie für die Verlegung informationstechnischer Leitungen (EMV-Aspekte, Abstände zu Starkstromleitungen).

DGUV Vorschrift 3 (ehem. BGV A3)

  • Schreibt regelmäßige Prüfungen und Sicherheitstest für elektrische Anlagen und Betriebsmittel vor.

Weitere relevante Normen

  • DIN EN 61439 (VDE 0660-600) für Niederspannungs-Schaltgerätekombinationen

  • ATEX-Richtlinien bei explosionsgefährdeten Bereichen (DIN EN 60079)

  • DIN 18014 für Fundamenterder und Erdungsanlagen

TN-S-Netz

  • In modernen Installationen wird bevorzugt ein reines TN-S-System genutzt, um Neutralleiter (N) und Schutzleiter (PE) durchgängig zu trennen.

  • Dies erhöht die Sicherheit und die elektromagnetische Verträglichkeit, da ungewollte Ströme im PE minimiert werden.

Vermeidung von PEN-Leitern

  • Innerhalb von Gebäuden werden PEN-Leiter weitgehend vermieden, um galvanische Kopplungen zu reduzieren und einen sauberen Potenzialausgleich zu gewährleisten.

Potentialausgleich

  • Alle leitfähigen Gebäudeteile und Kabeltrassen sind in ein gemeinsames Potentialausgleichssystem einzubinden.

  • Ein ordnungsgemäßer (Fundament-)Erder nach DIN 18014 stellt die Verbindung zum Erdreich sicher.

Spannungsfall und Dimensionierung

  • Nach VDE 0100-520 (Beiblatt) kann der zulässige Spannungsfall bis zu 8 % betragen; in der Praxis wird häufig ein geringerer Wert (z. B. 4–5 %) angestrebt.

  • Die Auswahl der Leiterquerschnitte erfolgt nicht nur nach thermischen Gesichtspunkten (Kurzschlussfestigkeit, Überlastung), sondern auch unter Berücksichtigung dieses maximal zulässigen Spannungsfalls.

  • Für große Verbraucher (z. B. Lüftungsanlagen, Maschinen, E-Ladeinfrastruktur) sind entsprechende Reserven bei Querschnitt und Verlegung zu berücksichtigen.

Planung nach VDE 0100-444

  • Strikte Trennung von N und PE sowie konsequenter Potentialausgleich minimieren Stör- und Ausgleichsströme.

  • Leitungsführung sollte so erfolgen, dass Leistungs- und Datenleitungen räumlich voneinander getrennt sind (Abstand nach DIN EN 50174).

Leiterführung und Trassen

  • Bei Parallelführungen sind ausreichende Abstände, möglichst eigene Trassen für Starkstrom- und Schwachstromkabel.

  • Bei empfindlichen Datenleitungen kann eine metallische Trennung oder Schirmung erforderlich sein.

Oberschwingungen und Power Quality

  • Nicht-lineare Verbraucher (z. B. Frequenzumrichter, LED-Beleuchtungen, IT-Server) erzeugen Oberschwingungen.

  • Bei hohem THD (Total Harmonic Distortion) kann der Einsatz von Filtern, K-Transformatoren oder Kompensationsanlagen nötig sein, um Netzrückwirkungen zu reduzieren.

Typische Leitungsarten

  • NYY-J: Erdkabel für Außenverlegung oder für höhere mechanische Belastungen.

  • NYM-J: Mantelleitung zur Verlegung in Wänden, Decken und trockenen Innenräumen.

  • NYCWY: Leitung mit konzentrischem PE für größere Querschnitte (z. B. ≥5×16 mm²) und verbesserter EMV-Güte.

Mindestquerschnitte

  • 2,5 mm² für Steckdosenstromkreise (zumeist 16 A-Absicherung).

  • 1,5 mm² für Lichtstromkreise (abhängig von Abschaltbedingungen und Leitungslänge).

Kabel mit Funktionserhalt

  • Bei sicherheitsrelevanten Anlagen (Brandmelde-, Alarmierungs- oder Sicherheitsbeleuchtungsanlagen) sind Leitungen mit E30/E90 (inklusive passender Tragsysteme) vorgeschrieben.

  • Diese gewährleisten eine gewisse Betriebsdauer im Brandfall.

Reserveadern

  • Werden in Mehraderkabeln häufig auf separaten Klemmen aufgelegt, um bei Bedarf erweiterbar zu sein.

Verlegesysteme

  • Offene Kabeltrassen/-rinnen aus Metall (verzinkt) für die Hauptverteilungen und Steigleitungen.

  • Mantelleitungen (NYM) im Bereich von abgehängten Decken und Hohlböden.

  • Auf-Putz-Verlegung in Schutzrohren, wo mechanische Beanspruchung oder optische Gründe dies erfordern.

Schellenabstände und Trassierung

  • Abstand von 20–25 × Kabeldurchmesser bei Einzelverlegung, in Zwischendecken teils größere Abstände möglich.

  • Rohranlagen (Alu, Stahl oder Kunststoff) ebenfalls nach maximalen Schellenabständen (z. B. 1,5 m).

Brandschottungen

  • Wand- und Deckendurchführungen sind mit anerkannten Systemen (nach DIN 4102) zu verschließen.

  • Ggf. ist ein Schottverzeichnis zu führen und im Brandschutzmanagement zu dokumentieren.

Raum- und Umgebungsbedingungen

  • IP-Schutzklassen (z. B. IP54, IP65) in feuchten, staubigen oder industriellen Umgebungen.

  • Temperatur- und Klimabedingungen in Technikräumen, um Überhitzung der Schaltanlagen zu vermeiden.

Aufbau und Beschaffenheit

  • Verteilungen sollen übersichtlich aufgebaut sein, mit genügend Platzreserven für künftige Erweiterungen.

  • Fronttüren und Abdeckungen müssen abschließbar oder manipulationssicher sein (Arbeitsschutz, Unbefugte).

Schutzmaßnahmen

  • RCD/FI-Schutz: Für Steckdosenstromkreise bis 20 A ist laut VDE 0100-410 ein Fehlerstromschutzschalter (30 mA) vorgesehen.

  • Leitungsschutzschalter (LS): Dimensionierung nach Nennstrom und Auslösecharakteristik (B, C, D).

  • Selektivität: Höherstufige Sicherungen (z. B. NH-Trenner) und nachgeordnete LS-Schalter müssen abgestimmt sein, damit im Fehlerfall nur die betroffene Ebene abschaltet.

Zusatzausrüstungen

  • Mess- und Überwachungseinheiten zur Energie- und Stromüberwachung (Lastmanagement, Energieeffizienz).

  • Überspannungsableiter (SPD): Typ 1/2/3 je nach Gebäude- und Blitzschutzkonzept.

Überspannungsschutz (SPD)

  • Pflicht in vielen Gebäudekategorien gemäß VDE 0100-443/-534.

  • Kombiableiter (Typ 1+2) im Hauptverteilerschrank, Type 2 in Unterverteilungen und Type 3 nahe Endgeräten.

Äußerer Blitzschutz

  • Fangleitungen und Ableitungen nach DIN EN 62305.

  • Verbindung zum Erdungssystem und innerer Blitzschutz (Potentialausgleich) müssen konsequent verknüpft sein.

Kabel und Trassensysteme mit E30/E90

  • Für sicherheitsrelevante Bereiche wie Brandmeldeanlagen, Alarmierungsanlagen oder Sicherheitsbeleuchtung (nach DIN 4102-12 und MLAR).

  • Leitungen, Kabeltragsysteme (Konsolen, Schellen) und Befestigungsmaterial sind als Gesamtsystem geprüft.

Brandabschnittsbildung

  • Größere Gebäude sind in Brandabschnitte aufgeteilt. Kabel- und Leitungsdurchführungen müssen die Feuerwiderstandsdauer der jeweiligen Wand/Decke erhalten.

  • Dokumentation jedes Durchbruchs (Schottmanagement).

Organisatorischer Brandschutz

  • Regelmäßige Wartung und Kontrolle von Funktionserhaltsstrecken.

  • Schulen von Personal und Erstellen von Flucht- und Rettungsplänen in Abstimmung mit Elektro- und Brandschutzfachplanern.

HLSK (Heizung, Lüftung, Sanitär, Kälte)

  • Leistungsbedarf und ggf. hohe Anlaufströme von Ventilatoren, Kältemaschinen, Pumpen.

  • Vorabprüfung, ob Frequenzumrichter oder Softstarter eingesetzt werden, um Auswirkungen auf Netzqualität und Selektivität zu bewerten.

Gebäudeautomation (GA) / MSR

  • Steuer- und Feldbusleitungen (BACnet, KNX, LON, DALI) benötigen getrennte Wege oder Schirmung (EMV).

  • Integrierte Funktions- und Lastüberwachung, z. B. für Licht, Sonnenschutz, Klimaregelung.

IT- und Sicherheitstechnik

  • Brandmeldeanlage (BMA), Einbruchmeldeanlage (EMA), Zutrittskontrolle, Videoüberwachung – teils mit separaten Unterverteilungen und Funktionserhalt.

  • Redundante Stromversorgung für Serverräume oder IT-Schränke.

Versorgungsnetzbetreiber (VNB)

  • Abstimmung hinsichtlich Hausanschluss, Vorzählersicherungen, Zählerplätze und Kurzschlussleistungen (Selektivitätsbetrachtung).

Erstprüfung nach VDE 0100-600

  • Sichtprüfung, Isolationswiderstands- und Durchgängigkeitstest, Schleifenimpedanzmessung, RCD-Funktionsprüfung.

  • Alles wird in Prüfprotokollen dokumentiert.

Wiederholungsprüfungen

  • Nach DGUV Vorschrift 3 (ehem. BGV A3) in regelmäßigen Intervallen.

  • Tragbare Betriebsmittel und fest installierte Anlagen sind getrennt zu betrachten (ggf. andere Prüffristen).

Inbetriebnahmeprotokoll

  • Abschließendes Prüf- und Messprotokoll, Übergabe der Anlagendokumentation.

  • Als Grundlage für spätere Wartungen und Umbauten.

Übersichts- und Stromlaufpläne

  • Jede Unter- und Hauptverteilung erhält eine klare Beschriftung, einen vollständigen Aufbauplan und Stromlaufpläne.

  • In digitaler Form idealerweise in einem CAE- oder BIM-System hinterlegt.

Kabel- und Betriebsmittelkennzeichnung

  • Einheitliche Kennzeichnungssysteme (z. B. Etiketten, Farbmarkierungen, Schilder).

  • Wichtig für schnelle Fehlersuche und spätere Anlagenänderungen.

Brandschutzdokumentation

  • Schottverzeichnis, Zertifikate für E30/E90-Leitungen und Befestigungssysteme.

  • Abstimmung mit Brandschutzbeauftragten.

Erweiterte Dokumentation

  • Bei komplexen Anlagen sind oft 3D-/BIM-Modelle für Kollisionsprüfungen und Betriebsoptimierung sinnvoll.

Energieeffizienz und Lastmanagement

  • Mess- und Überwachungssysteme in den Verteilungen erlauben eine detaillierte Analyse von Energieflüssen und Lastprofilen.

  • Lastmanagement: Steuerbare Verbraucher (z. B. Elektroladeplätze, Kälteerzeuger) können zeitversetzt oder leistungsreduziert zugeschaltet werden, um Spitzenlasten zu vermeiden und Energiekosten zu senken.

USV

  • In Serverräumen oder kritischen Prozessen (z. B. medizinische Geräte) sind USV-Anlagen üblich, um bei Netzausfällen kurzzeitig weiterzuversorgen.

Notstrom-/NEA-Anlagen

  • Bei längeren Unterbrechungen stellt ein Diesel- oder Gasgenerator die Energieversorgung sicher.

  • Schaltanlagen müssen auf eine automatische Umschaltung (ATS) zwischen Netz- und Generatorbetrieb ausgelegt sein.

Redundanzkonzepte

  • Doppelte Einspeisung oder verzweigte Netzabschnitte für besonders wichtige Bereiche (Rechenzentren, Labore, Krankenhäuser).

Barrierefreiheit und Nutzerkomfort

  • DIN 18040: Schalter und Steckdosen auf einer Höhe von ca. 85 cm bis 105 cm für barrierefreies Bauen.

  • Sensorik (Präsenz- und Bewegungsmelder) und automatisierte Funktionen (z. B. Jalousiesteuerung) erhöhen den Komfort und tragen zur Energieeinsparung bei.

Sichere Abschaltung

  • Lockout/Tagout-Verfahren in größeren Anlagen, um elektrotechnische Arbeiten gefahrlos durchzuführen.

  • Abschließbare Hauptschalter oder Bereiche.

Persönliche Schutzausrüstung (PSA)

  • Bei Arbeiten unter Spannung (außerhalb des normalen Betriebs) sind isolierende Handschuhe, Schutzbrillen, Lichtbogenschutzkleidung vorgeschrieben.

  • Gefährdungsbeurteilung nach Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV).

Regelmäßige Wartung

  • Sichtkontrolle, Reinigungsintervalle, Prüfung der Schaltgeräte und Anschlüsse.

  • Thermografieuntersuchungen zur Identifikation von Kontaktproblemen.

Erweiterbarkeit

  • Sinnvoll ist eine großzügige Auslegung mit Reserveleitungen und Trassenkapazitäten von 30 % (oder mehr), um bei Änderungen an der Anlage rasch reagieren zu können.

Retrofit

  • Austausch älterer Komponenten (z. B. Schaltschütze, Sicherungen) in bestehenden Anlagen kann den Brandschutz, die EMV und die Energieeffizienz verbessern, ohne die gesamte Verteilung zu erneuern.