Betrieb
Facility Management: Elektrotechnik » Betrieb

Betrieb der Elektrotechnik
Ein rechtssicherer Betrieb elektrischer Anlagen erfordert die Einhaltung verschiedener Gesetze, Verordnungen und Regeln der Technik. Betreiber und Elektrofachkräfte müssen ihre Verantwortung kennen und Prüf- sowie Dokumentationspflichten erfüllen, um den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden. Zusammengefasst hat der Betreiber die Pflicht, eine geeignete Organisation aufzubauen: Er muss entweder selbst oder durch Bestellung einer VEFK sicherstellen, dass jede elektrische Arbeit von ausreichend qualifiziertem Personal ausgeführt und überwacht wird. Das schließt auch die Pflicht ein, Mitarbeiter entsprechend auszubilden oder unterweisen zu lassen. Die Rollen und Befugnisse sollten schriftlich fixiert sein (Organisationsverantwortung). Nur so kann im Falle eines Unfalls nachgewiesen werden, dass der Betreiber seiner Sorgfaltspflicht nachgekommen ist – dies ist z.B. für die Haftungsabwehr und den Versicherungsschutz wichtig.
Gesetzliche Grundlagen
Energiewirtschaftsgesetz (EnWG): Das EnWG verlangt einen sicheren, zuverlässigen und effizienten Betrieb elektrischer Energieversorgungsanlagen.
Betreiber müssen die allgemein anerkannten Regeln der Technik (z. B. VDE-Bestimmungen) einhalten.
Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV): Regelt die Bereitstellung, Benutzung und Prüfung von Arbeitsmitteln (dazu zählen elektrische Anlagen und Betriebsmittel).
Gefährdungsbeurteilungen sind Pflicht: Hierbei muss systematisch ermittelt werden, welche Risiken für Beschäftigte bestehen und wie diese zu vermeiden sind.
Wiederkehrende Prüfungen elektrischer Betriebsmittel sind in festgelegten Intervallen durch befähigte Personen vorzunehmen.
Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG): Verpflichtet Arbeitgeber, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz von Beschäftigten zu gewährleisten.
Gefordert werden regelmäßige Unterweisungen, eine aktuelle Gefährdungsbeurteilung sowie entsprechende Schutzmaßnahmen.
Unfallverhütungsvorschriften (DGUV Vorschrift 3)
Die DGUV Vorschrift 3 („Elektrische Anlagen und Betriebsmittel“) schreibt für sämtliche Unternehmen vor, dass elektrische Einrichtungen regelmäßig durch eine Elektrofachkraft oder befähigte Person geprüft werden müssen.
Verstöße können zu Unfällen und schweren Haftungsfolgen führen.
Die Vorschrift konkretisiert grundlegende Sicherheitsregeln wie das Verbot des Arbeitens unter Spannung (mit definierten Ausnahmen) und regelt Prüfverfahren und -intervalle.
Technische Regelwerke und Normen (DIN, VDE, IEC, ISO)
DIN VDE 0100 (Errichten elektrischer Anlagen): Enthält Bestimmungen zum Schutz gegen elektrischen Schlag, Erdung, Überspannungsschutz und weitere Schutzmaßnahmen.
DIN VDE 0105 (Betrieb von elektrischen Anlagen): Regelt den sicheren Betrieb, Schalthandlungen, Instandhaltung und Prüfungen von Bestandsanlagen.
DIN VDE 0701-0702: Vorschriften für die Prüfung ortsveränderlicher elektrischer Betriebsmittel.
DIN EN 60204-1 (VDE 0113): Speziell für die Elektrische Ausrüstung von Maschinen (Sicherheit von Maschinen).
DIN 31051: Grundsätze und Begriffe der Instandhaltung.
TRBS (Technische Regeln für Betriebssicherheit): Konkretisieren die Anforderungen der BetrSichV, z. B. hinsichtlich Prüfpraxis und Qualifikation des Personals.
ISO-Normen (z. B. ISO 9001, ISO 50001): Freiwillige Managementsysteme für Qualitäts- und Energiemanagement, bieten aber zusätzliche Unterstützung für eine strukturierte Organisation und Effizienzsteigerung.
Verantwortlichkeiten des Betreibers und der Elektrofachkräfte
Der Arbeitgeber bzw. Betreiber einer elektrischen Anlage trägt die Gesamtverantwortung für die Sicherheit.
In der Praxis wird eine Verantwortliche Elektrofachkraft (VEFK) benannt, die die fachliche Verantwortung und Aufsicht für den elektrotechnischen Betrieb übernimmt.
Nur Personen mit entsprechender Ausbildung und Erfahrung (Elektrofachkräfte) dürfen eigenverantwortlich Arbeiten an oder in der Nähe von spannungsführenden Teilen durchführen.
Elektrotechnisch unterwiesene Personen (EUP) dürfen nur unter Leitung und Aufsicht einer Elektrofachkraft arbeiten.
Prüfpflichten und Nachweispflichten
Erstprüfung vor Inbetriebnahme: Nach DIN VDE 0100-600 oder DIN EN 60204-1 (bei Maschinen) müssen elektrische Anlagen und Betriebsmittel vor der ersten Nutzung auf Sicherheit geprüft werden.
Wiederholungsprüfungen in regelmäßigen Intervallen: Intervalle sind im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung festzulegen, wobei DGUV Vorschrift 3 und VDE-Normen Richtwerte liefern.
Prüfungen nach Änderungen oder außergewöhnlichen Ereignissen (z. B. Umbauten, Störungen, Überspannungen).
Lückenlose Dokumentation (Prüfprotokolle) dient als Nachweis gegenüber Behörden, Unfallversicherern und im Schadensfall.
Anforderungen an den sicheren Betrieb elektrischer Anlagen
Betrieb nur durch befugte Personen: Der Zugang zu elektrischen Betriebsräumen, Schaltanlagen und Bedienungselementen ist auf qualifiziertes Personal zu beschränken.
Feste Betriebsanweisungen und Schaltberechtigungen: Mitarbeitende benötigen klare Vorgaben, wann und wie Schalthandlungen sicher ausgeführt werden.
Beachtung der 5 Sicherheitsregeln (Freischalten, gegen Wiedereinschalten sichern, Spannungsfreiheit feststellen, Erden und kurzschließen, benachbarte Teile abdecken oder abschranken) bei Arbeiten an elektrischen Anlagen.
Schutz vor elektrischem Schlag (Schutzerdung, Fehlerstromschutzschalter, ordnungsgemäße Isolierung) sowie Brand- und Überspannungsschutz (Blitzschutz, Feuerlöscher im Elektrobereich, regelmäßige Prüfungen).
Instandhaltungs- und Wartungskonzepte nach DIN 31051
DIN 31051 gliedert die Instandhaltung in: Inspektion: Zustandsfeststellung, Sichtprüfung, Messungen (z. B. Isolationsprüfung, Temperatur-Checks, Thermografie).
Wartung: Geplante Maßnahmen, um den Soll-Zustand zu erhalten (z. B. regelmäßiger Austausch von Verschleißteilen, Schmierung, Reinigung).
Instandsetzung (Reparatur): Wiederherstellung nach Störfällen oder Schäden.
Verbesserung (Optimierung): Maßnahmen, die die Zuverlässigkeit und Lebensdauer erhöhen (z. B. Ersatz veralteter Bauteile durch effizientere Komponenten).
Ein strukturierter Wartungsplan unter Berücksichtigung der tatsächlichen Belastung und Umgebungsbedingungen (z. B. Feuchtigkeit, Staub, Temperatur) stellt die notwendige Verfügbarkeit sicher und minimiert Ausfallrisiken.
Qualitätssicherung und Dokumentation
Vollständige Anlagendokumentation (Stromlaufpläne, Prüfnachweise, Bedienungsanleitungen) ist grundlegend. Änderungen sind stets nachzuführen, damit Pläne aktuell bleiben.
Wartungs- und Prüfpläne: Übersicht über alle Prüftermine, Inspektionsintervalle und Verantwortlichkeiten.
Arbeitsanweisungen und Checklisten: Standardisierte Vorgehensweisen für wiederkehrende Arbeiten (z. B. Freischaltung, Inspektionsroutinen) gewährleisten gleichbleibend hohe Qualität.
Kalibrierung von Messmitteln: Prüfgeräte müssen regelmäßig überprüft werden, um genaue und sichere Messungen sicherzustellen.
Sicherheitsmaßnahmen und Schutzkonzepte
Schutzerdung und Potentialausgleich: Verhindert gefährliche Berührungsspannungen im Fehlerfall.
Fehlerstromschutzschalter (RCD): Reduziert das Risiko tödlicher Stromunfälle, indem er innerhalb von Millisekunden abschaltet.
Überspannungsschutz: Innerer und äußerer Blitzschutz gemäß DIN EN 62305 sowie Überspannungsschutzeinrichtungen nach DIN VDE 0100-443/-534.
Brandschutz: Feuerbeständige Kabelkanäle, Brandschutzschottungen, Feuerlöscher geeignet für Elektrotechnik, Brandmelde- und Löschanlagen in kritischen Bereichen.
Mess- und Prüfvorschriften
Erstprüfungen (z. B. nach DIN VDE 0100-600): Sicht- und Funktionsprüfung, Isolationsmessung, Schutzleiterwiderstand, Schleifenimpedanz, RCD-Auslösezeiten.
Wiederholungsprüfungen (z. B. nach DIN VDE 0105-100): In Intervallen festgelegt durch Gefährdungsbeurteilung, Prüfabläufe ähnlich der Erstprüfung.
Geräteprüfungen (z. B. DIN VDE 0701-0702 für ortsveränderliche Betriebsmittel, EN 60204-1 für Maschinen): Regelmäßige Prüfung von Schutzmaßnahmen und Isolationswerten.
Dokumentation sämtlicher Messwerte und Beurteilungen als rechtlicher und technischer Nachweis.
Kosten-Nutzen-Analysen
Präventive Instandhaltung vs. Ausfallkosten: Der Nutzen regelmäßiger Wartung ist meist höher als die Kosten ungeplanter Anlagenstillstände.
Modernisierung vs. Weiterbetrieb: Entscheidungen sollten auf Basis von Lebenszykluskosten (TCO, Total Cost of Ownership) getroffen werden, nicht nur auf Anschaffungspreis.
Redundanz und Verfügbarkeit: Bei kritischen Prozessen kann redundante Auslegung zwar initial höhere Kosten verursachen, verhindert aber teure Produktionsausfälle.
Lebenszykluskosten und Investitionsplanung
Planungsphase: Qualitätsanforderungen, Dimensionierung (z. B. Reservekapazitäten) und Auswahl langlebiger Komponenten.
Betriebsphase: Laufende Wartungs- und Energiekosten, Personalschulungen, Versicherungsbeiträge.
Rückbau und Entsorgung: Insbesondere bei Sondermüll (z. B. PCB-haltiges Öl älterer Transformatoren) oder bei Recycling von Altanlagen.
Ziel ist eine optimale Balance zwischen Investitionskosten, Betriebssicherheit und langfristigen Einsparungen (Energie- und Wartungskosten).
Energieeffizienz (z. B. nach ISO 50001)
Energiemanagementsystem: Erfassen und Analysieren von Energieverbräuchen, Identifizieren von Einsparpotenzialen.
Effiziente Antriebstechnik: Einsatz von IE3-/IE4-Motoren, Frequenzumrichtern, bedarfsorientierter Steuerung.
Optimierte Beleuchtung (LED, Präsenzmelder, Tageslichtsensoren).
Lastmanagement: Kappen von Leistungsspitzen, Blindleistungskompensation, Nutzung flexibler Tarifmodelle.
Kontinuierliche Verbesserung: Regelmäßige Energieaudits und Schulungen der Mitarbeitenden.
Risikomanagement und Versicherungsschutz
Risikobewertung: Identifikation potenzieller Schadensszenarien (Brand, Überspannung, Stromausfall, Personenschäden).
Notfallpläne: Vorgehensweisen bei Störfällen, Brand oder Unfällen, Meldeketten, Ersatzteilvorhaltung und Redundanzkonzepte.
Versicherung: Betriebshaftpflicht, Elektronik- und Feuerversicherung, Betriebsunterbrechungsversicherung.
Regelmäßige Überprüfung: Angepasste Versicherungsbedingungen, Einhaltung von vertraglichen Sicherheitsklauseln (z. B. Prüfpflichten gemäß VDE).
Aufbauorganisation
Verantwortliche Elektrofachkraft (VEFK): Vom Unternehmen schriftlich bestellte Fachkraft mit der Aufgabe, den elektrotechnischen Betrieb sicher zu organisieren und zu überwachen.
Elektrofachkraft (EFK): Führen operative Tätigkeiten selbstständig und fachgerecht durch.
Elektrotechnisch unterwiesene Person (EUP): Darf lediglich definierte, einfache Tätigkeiten unter Anleitung einer EFK übernehmen.
Klar geregelte Weisungsbefugnisse und Zuständigkeiten sorgen für effiziente Abläufe und Rechtssicherheit.
Ablauforganisation
Arbeitsfreigabeverfahren: Standardisierte Prozeduren für Freischaltung, Prüfen der Spannungsfreiheit und Freigabe von Anlagen für Wartungs- und Reparaturarbeiten.
Koordination von Instandhaltung und Produktion: Wartungsfenster frühzeitig planen, um Produktionsabläufe nicht unnötig zu beeinträchtigen.
Störungsmanagement: Definierte Meldewege und Eskalationsstufen, Protokollierung von Störungen, Fehleranalyse zur Vermeidung von Wiederholungen.
Dokumentenverwaltung: Aktualisierung von Plänen und Protokollen in einem zentralen System.
Anforderungen an Schulungen und Fortbildungen
Pflichtunterweisungen nach Arbeitsschutzgesetz und DGUV mindestens einmal jährlich.
Fachliche Weiterbildung: Normen ändern sich regelmäßig, technische Entwicklungen schreiten voran; Elektrofachkräfte müssen ihre Kenntnisse fortlaufend aktualisieren.
Spezialqualifikationen (z. B. Arbeiten unter Spannung, Schaltberechtigung im Mittelspannungsbereich) sind durch anerkannte Schulungen zu erwerben und bedürfen häufig praktischer Erfahrung.
Arbeitssicherheit und Unfallverhütung
Persönliche Schutzausrüstung (PSA): Geeignete isolierende Handschuhe, feuerfeste Kleidung, Helm mit Visier bei Schalthandlungen, Gehörschutz in lauten Bereichen.
Gefährdungsbeurteilung und Betriebsanweisungen: Klare Verhaltensregeln und Schutzmaßnahmen.
Notfallorganisation: Rettungskette bei Elektrounfällen, Brandbekämpfung, Evakuierung.
Sicherheitskultur: Offenes Melden von Gefährdungen oder Beinaheunfällen, Lernprozesse statt Schuldzuweisung.
Interne Schnittstellen
Produktion/Fertigung: Abstimmung von Wartungs- und Produktionsplänen, schnelle Kommunikation bei Störungen.
Mechanische Instandhaltung: Gemeinsame Planung bei Anlagen, in denen Elektro- und Mechanikkomponenten eng verzahnt sind.
Facility Management/Gebäudetechnik: Versorgungssicherheit, Klimatisierung, Brandschutzkonzepte.
IT-Abteilung: Vernetzung von Steuerungen (Industrie 4.0), Cybersecurity, Schnittstellen für Datenanalysen.
Management: Budgetplanung, Investitionsentscheidungen, strategische Ausrichtung des Unternehmens.
Externe Schnittstellen
Behörden und Aufsichtsstellen: Gewerbeaufsicht, Amt für Arbeitsschutz, Berufsgenossenschaften, ggf. Umweltbehörden. Einhaltung aller gesetzlich vorgeschriebenen Melde- und Dokumentationspflichten.
Zertifizierungsstellen: Audits für ISO 9001, ISO 50001, ISO 45001 etc., Nachweis von Managementprozessen und Dokumentationen.
Lieferanten und Dienstleister: Beschaffung normgerechter Betriebsmittel, Serviceverträge zur Wartung und Reparatur, Einhaltung von Verträgen und abgestimmter Sicherheitsstandards.
Netzbetreiber und Energieversorger: Technische Anschlussbedingungen, Abstimmung bei Leistungserweiterungen, Meldung von Einspeiseanlagen, Koordinierung bei Netzstörungen.